Debatte um Einzelhausverbot im Überblick
Seit dem Amtsantritt von Bezirksleiter Michael Werner-Boelz im Februar 2020 wurde in Hamburg-Nord kein neues Einfamilienhaus mehr erbaut. Der Grünen-Politiker setzte sich dafür ein, die Gebäudeart in seinem Bezirk in Form von Neubauten zu untersagen – die Begründung: Platzverschwendung und eine meist ineffiziente Nutzung. Damals gab es Unterstützung seitens der Immobilienwirtschaft. Heute ist die Debatte um dieses Verbot neu entflammt – der Blick richtet sich auf die Möglichkeit, dieses auch landesweit umzusetzen. Argumente in dieser Richtung kamen vor allem erneut von Seiten der Grünen.
Scharfe Kritik gab es jedoch seitens des CDU-Wirtschaftsrates: Es soll kein Schwarz und Weiß beim Häuserbau geben. Ein deutschlandweites Verbot von Einfamilienhäusern kommt nach Meinung des Rates dementsprechend nicht in Frage.
Was spricht für ein Verbot?
Gerade in Ballungszentren und Großstädten, zu denen auch das genannte Beispiel Hamburg gehört, erscheint ein Einfamilienhaus-Verbot durchaus sinnvoll. So soll die vorhandene Fläche optimal genutzt und Wohnraum für mehrere Personen geschaffen werden. Die Kölner Grünen plädieren beispielsweise für die Nutzung alter Industrieflächen für den Bau von Mehrgeschosshäusern. Auch könnte eine Überbauung von alten Straßen oder Supermärkten in Frage kommen, um das zunehmende Platzproblem zu lösen und vorhandene Grünflächen zu schonen.
Ein allgemeiner Tipp der Grünen richtet sich auf das Downsizing: Menschen sollten mit weniger Wohnraum auskommen als bisher. Beispielsweise könnten sich Seniorinnen und Senioren in einer Art Wohngemeinschaft zusammentun.
Ein anderes Argument für das Verbot von neuen Einfamilienhäusern ist die Wichtigkeit von Immobilien in Form der persönlichen Altersvorsorge. Bezahlbarer Wohnraum ist gerade in den Großstädten schwer zu finden; Einfamilienhäuser mit ihren Grundstücken fallen budgettechnisch häufig raus. Durch zusätzliche Wohnungen dank Mehrgeschossbauten könnte diese Lücke geschlossen werden.
Was spricht dagegen?
Nicht in allen Orten deutschlandweit bietet sich der Bau von Mehrgeschosswohnungen an. Gerade in dörflichen Gegenden oder im Stadtrandgebiet erscheinen die Hochhausbauten als Alternative zum Einfamilienhaus fehl am Platz. Es besteht das Risiko, dass in diesem Bereich ein ganz neuer Bezirk geschaffen werden könnte.
Auch gibt es nach wie vor einen hohen Bedarf an Einfamilienhäusern – auf einen Bauplatz kommen meist mehrere Interessenten. Die Deutschen wünschen sich ein freistehendes Eigenheim im Grünen, fernab von den oft überfüllten und lauten Stadtwohnungen. Die Häuser und ihre Gärten müssen dabei auch gar nicht besonders groß sein; im Gegenteil. Meist verfügen die Grundstücke über deutlich weniger Quadratmeter als noch vor 50 Jahren. Dadurch werden Einzelhäuser für viele Personengruppen wieder bezahlbar.
Natürlich spielt auch der Aspekt der freien Entscheidung eine Rolle. Bestandsbauten sind für viele Familien weniger attraktiv als beispielsweise ein Neubau mit energieschonenden und somit nachhaltigen Ressourcen. Wenn nun das Einfamilienhaus-Verbot käme, bliebe ihnen jedoch keine Wahl, als auf die bestehenden Häuser zurückzugreifen. Die Sanierungskosten können dabei deutlich höher ausfallen als die Kosten für einen Neubau.
Fazit: Einzelhaus sichert sich vorerst Daseinsberechtigung
Vor allem Stadtplaner und Architekten raten von einem generellen Verbot ab und fordern eine differenzierte und sachliche Betrachtung der Debatte um das Einfamilienhaus, das die Vor- und Nachteile eines Verbots gegenüberstellt. Sicher ist es an einigen Orten sinnvoll, neue Einzelhausbauten zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. In anderen Gegenden können sich Hochhausbauten als Alternative jedoch nicht unbedingt behaupten.
Zumindest vorerst hat das neu erbaute Einfamilienhaus noch immer seine Daseinsberechtigung. Jedenfalls überall... außer in Hamburg-Nord.